Eckpunktepapier
#EqualEquest – Eine Initiative für mehr Chancengerechtigkeit im Reitsport -
an initiative for more equal opportunities in equestrian sports
Ausgangslage
Als einzige Sportart, in der Frauen und Männer bis auf olympischem Niveau gegeneinander antreten, hält der Reitsport eine Sonderstellung inne. Eine Starterlaubnis für internationale Turniere basiert auf der Anzahl an Weltranglistenpunkten der Reiter:innen. Aktuell gelten für Krankheit und Schwangerschaft dieselben Regeln: Es besteht die Möglichkeit zwischen sechs und zwölf Monate vom Turniersport abwesend zu sein, wobei 50 Prozent der Weltranglistenpunkte verloren gehen. Dies stellt besonders im Falle von Schwangerschaft und Mutterschutz einen Nachteil für Frauen im Spitzensport dar.
Janne Friederike Meyer-Zimmermann ist eine der erfolgreichsten Reiter:innen Deutschlands. Nach ihrer schwangerschaftsbedingten Reitpause startete sie frühzeitig wieder auf einem internationalen Turnier in Spanien und verlor damit ihre kompletten Weltranglistenpunkte aus der Zeit. Damit rutschte sie von Platz 107 der Weltrangliste, auf dem sie sich vor der Pause zum Mutterschutz befand auf Platz 270. Hätte sie die vereinbarte Pause eingehalten, hätte sie 50 Prozent ihrer Punkte aus dem Vorjahr behalten und läge damit auf Platz 177.
Problem
Es gibt verschiedene unternehmerische und sportliche Risiken, die Reiter:innen bei der professionellen Ausübung ihres Sportes tragen. Dazu zählen:
- Verletzungen des Reiters
- Verletzung der Pferde
- Verkauf der Pferde
- Veränderungen der privaten Situation, die das Reisen zu Turnieren unmöglich macht.
Das einzige Risiko, das Männer und Frauen in diesem Sport nicht teilen, ist das unternehmerische Risiko einer Schwangerschaft und einen damit bedingten, befristeten Ausfall. Dieses zusätzliche Risiko zwingt Reiterinnen dazu, nach der Schwangerschaft in einer benachteiligten Position wieder in den Sport zurückzukehren. Die aktuellen Regelungen zu einer Pause finden sich unter dem Punkt Maternity or Medical Leave in den FEI Weltranglisten-bestimmungen der jeweiligen Disziplin.
Für den Springsport, wie auch für Dressur und Driving, ermöglichen die Regularien eine Pause von 6 bis 12 Monaten. Die Dauer der Pause muss vor Beginn genau definiert werden. Für den festgelegten Zeitraum sind Reiter:innen für die Teilnahme an nationalen und internationalen Turnieren gesperrt. Nach Beendigung der Pause starten sie mit 50 Prozent der Ranglistenpunkte, die sie vor Start der Pause hatten, wieder in den Sport.
Weder für Para-Dressage, Vaulting, Distanzreiten oder Vielseitigkeit gibt es bisher Regelungen zu einer Pause bei Schwangerschaft, was bedeutet, dass bei Abwesenheit der Reiter:innen alle Weltranglistenpunkte verloren gehen.
Der Verlust der Ranglistenpunkte hat neben den damit einhergehenden schlechteren Startmöglichkeiten auf großen internationalen Turnieren einen weiteren wirtschaftlichen Effekt: Den Reiterinnen droht ein möglicher Verlust von Sponsoren(-geldern) oder zur Verfügung gestellten Pferden. Der Verdienstausfall der durch die Schwangerschaft/den Ausfall besteht, wird somit durch den Verlust der Ranglistenpunkten noch verstärkt.
Aktuell befindet sich die erfolgreichste Frau der Welt auf Platz 28 der Longines Weltrangliste, untern den ersten 50 Reiter:innen sind fünf Frauen gelistet. Die aktuelle Regelung betrifft besonders Reiter:innen, mit weniger Ranglistenpunkten. Je mehr Starts ein:e Reiter:in hat, desto weniger ist er/sie von der aktuellen Regelung zu Krankheit und Schwangerschaft betroffen.
Vorschlag der Initiative
Die Initiative Equal Equest strebt eine Änderung des internationalen Regelwerks an, die Reiterinnen eine zeitlich begrenzte aber flexible Pauseim Falle einer Schwangerschaft für einen Zeitraum von vier bis zwölf Monaten ermöglicht. Weiter könnten den Sportlerinnen Wildcards für internationale Starts, gemessen an dem Platz im Ranking vor der Pause, zur Verfügung gestellt werden. Die Beendigung der Pause und der Zeitpunkt des ersten Turnierstarts muss der FEI frühzeitig bekannt gegeben werden, damit die Sperre der Reiterin aufgehoben werden kann. Diese neue Regelung sollte für alle Nationen und Disziplinen gleichermaßen Bestand haben.
Die Kernelemente unseres Vorschlags sind:
- Die Flexibilisierung des Maternity Leaves, die eine frühzeitige Rückkehr ohne den Verlust aller Ranglistenpunkte ermöglicht.
- Die Möglichkeit von Wildcards auf Basis des Ranglistenplatzes vor dem Maternity Leave.
- Einheitliche Regelungen auf internationaler Ebene.
- Einheitliche Regelungen für alle Reitsportdisziplinen.
Lösung
Durch einen moderaten Eingriff in die Statuten der FEI zu den einzelnen Disziplinen lässt sich eine Regelung schaffen, die es Reiter.innen nach einer angemessenen Ankündigungsfrist und in begründeten Fällen ermöglicht, eine auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Pause vom Turniersport zu nehmen, ohne den Verlust von Ranglistenpunkten verbüßen zu müssen. Ziel ist es, geschlechterspezifische Ungleichheiten größtmöglich zu minimieren.
- Recht auf flexible Pause ohne Verlust von Ranglistenpunkten: Das Recht auf eine flexible Pause von vier bis zwölf Monaten soll nur im Falle einer Schwangerschaft bestehen und damit lediglich den geschlechtsspezifischen Nachteil von Frauen ausgleichen.
- Wildcards: Auf den Zeitraum von max. sechs Monaten Pause werden Wildcards für internationale Starts auf Basis des Ranglistenplatzes vor dem Maternity-Leave vergeben.
- Höchstdauer: Die Pause vom Turniersport mit dem Verlust von 50 Prozent der Ranglistenpunkte soll eine festgelegte Höchstdauer von sechs bis zwölf Monaten nicht überschreiten dürfen (aktuelle Regelung soll hier weiterhin Bestand haben).
- Ankündigungsfrist: Reiterinnen sollen den Start der Pause und die ungefähre Dauer sowie die Beendigung der Pause und damit die Rückkehr in den Turniersport innerhalb einer angemessenen Frist ankündigen müssen.
Die Sonderstellung des Reitsports und vergleichbare Regelungen
- Männer und Frauen treten in der gleichen Konkurrenz gegeneinander an.
- Der Reitsport ermöglicht im Vergleich zu anderen Leistungssportarten eine langfristige Karriere, die weit über das gebärfähige Alter hinausgehen kann.
- Der Reitsport ist zunehmend in der Kritik und wird oftmals als Kraftsportart vertan. Spitzensportlerinnen wie beispielsweise Laura Kraut, Janne Friederike Meyer-Zimmermann und Sophie Hinners zeigen, dass Reitsport deutlich komplexer ist und helfen in der Außenkommunikation dabei, die Zusammenhänge von Horsemanship und Spitzensport verständlich zu machen.
Für Sportler:innen anderer Sportarten sind Regelungen zu Maternity Leaves wie die aktuellen FEI-Statuten ebenfalls in der Diskussion. Die WTA (Women’s Tennis Association) beispielsweise hat Wildcards bereits eingeführt. Mit einer grundlegenden Neuregelung und Unterscheidung des Maternity Leaves vom Medical Leave könnte der Reitsport mit seiner besonderen Konstellation eine Vorreiterposition einnehmen.